Jede ganzheitliche Heilkunde zielt darauf ab, auf der körperlichen, seelischen und geistigen Ebene gesundend zu wirken.
Diese Ganzheit – Körper, Seele, Geist – steht uns jedoch erst mit dem Eintritt ins Erwachsenenalter, also etwa um das 21. Lebensjahr, vollständig zur Verfügung. Bis dahin darf sie sich langsam Schritt für Schritt entwickeln.
Unser Körper ist in drei funktionelle Hauptsysteme gegliedert: die Nerven-Sinnesorganisation, die rhythmische Organisation und die Stoffwechsel-Gliedmaßenorganisation. Diese reifen nicht gleichzeitig sondern in typischer zeitlicher Abfolge heran.
- Das erste Organsystem, das nahezu seine Erwachsenenfunktion erreicht, ist das Nervensystem mit den Sinnesorganen. Die volle Funktionstüchtigkeit der Sinne wird bereits bis zum 8./9. Lebensjahr erreicht. In den Sinnes- und Nervenorganen ist weiterhin kein Wachstum mehr möglich, sondern nur noch Regenerationstätigkeit.
- Zwischen dem 12. und 16. Lebensjahr vollzieht sich Heranreifung des Herz-Kreislaufsystem und der Atmung – und damit auch die für das Erwachsenenleben typische Frequenz ihrer Rhythmen: etwa 20 Atemzüge und 80 Pulsschläge pro Minute in Ruhelage.
- Das Wachstum des Skelettsystems zur Erwachsenenform und die Stabilisierung der Stoffwechselvorgänge und des Hormonhaushaltes ist je nach genetischer Veranlagung etwa um das 18. bis 22. Lebensjahr abgeschlossen.
Daraus ist offensichtlich, dass jedes Alter unterschiedliche und spezifische Förderungen benötigt.
Was brauchen Kinder, damit sie sich gesund entwickeln können?
Körperliche Gesundheit im ersten Jahrsiebt
Das Beobachten eines Kleinkindes kann uns mit großem Staunen erfüllen. Unermüdlich ist es damit beschäftigt, motorisch die Welt zu erobern. Es experimentiert mit verschiedensten Bewegungen, lernt sich aufzurichten und entdeckt mit Hilfe all seiner Sinne die Welt. Daran bildet sich das Nervensystem und die motorsensorischen Fähigkeiten – das Zusammenspiel der Sinne mit den Muskeln. Je vielseitiger sie angeregt, benützt und geübt werden, umso gesünder und leistungsfähiger können sie sich differenzieren.
Wie kann ich mein Kind am besten fördern?
→ Schaffe Bewegungs- und Spielräume, in denen Dein Liebling sich aus eigenem Antrieb altersentsprechend bewegen und betätigen kann. Dies bedeutet auch, dass Du Deinem Kind das Aufrichten und Gehenlernen ganz selbständig ohne frühzeitige Hilfestellungen Deiner Hände erobern lässt. So ganz nebenbei wird sich Dein Rücken auch bei Dir bedanken.. 🙂
→ Zum Anregen der Sinne ist es besonders förderlich, wenn die Räume mit Möbel aus Naturmaterialien ausgestattet sind und die Wände mit wohlriechenden Pflanzenfarben bemalt wurden.
→ Biete Deinem Kind Spielmaterial an, das die Eigenaktivität fördert: einfache Gegenstände und natürliche Materialien, die der Phantasie Raum lassen und viele Gestaltungsmöglichkeiten zulassen. Hier ist weniger wirklich mehr. Ein Tuch, in dem Du einen Knoten knüpfst, wird schnell zur Lieblingspuppe.
→ In diesem Alter ahmt Dein Kind Dich unaufhörlich mit Begeisterung nach. Es ist allerdings überhaupt nicht empfänglich für Forderungen. Nutze die Nachahmungskräfte und rege seine Initiative durch eigenes Tun und „Vorbild sein“ an, anstatt von ihm etwas zu fordern.
→ Die zur Sozialisation notwendige Fähigkeit des Zuhörens und des harmonischen Zusammenspiels veranlagst Du spielerisch durch die in diesem Alter so beliebten musikalisch-rhythmischen Singspiele. Das macht auch wirklich großen Spaß und kann das gesamte Umfeld in freudige Stimmung versetzen.
→ Besonders gesundend kannst Du wirken, indem Du in diesem Alter gute Gewohnheiten anlegst, wie z.B. kleine Rituale am Morgen, vor jedem Essen, vor dem Schlafengehen.
→ Alles regelmäßige Tun und die rhythmische Gestaltung des Tages-, Wochen-, Monats- und Jahreslaufs ist jetzt heilsam.
→ Wir Erwachsene haben meist einen gefüllten Tagesablauf. Umso wichtiger ist es, Zeiten sich freizuhalten, in denen Du Deinem Kind ungeteilte Aufmerksamkeit schenkst. Wenn Du Deinen Pflichten nachkommen musst, nimm Dein Kind in Gedanken mit und trage es in Deinem Herzen mit. Dann werden die Begegnungen viel intensiver. Dein Kind spürt Deine Nähe auch während Deiner Abwesenheit!
→ Unser Leben ist ohne Computer nicht mehr vorstellbar und der Umgang damit will geübt werden. Und das ist gut und richtig so. Aber: Bitte nicht in diesem Alter! Vermeide die unzähligen Multimedia-Angebote und technischen Spielzeuge, weil sie die Sinnestätigkeit und körperliche Aktivität massiv einschränken.
→ Dein Kind braucht Sicherheit und Ordnung, deshalb tut es ihm gut, wenn Du klare Grenzen setzt und diese auch als Vorbild selber einhältst.
→ Schaffe eine Grundstimmung der Lebensfreude und Dankbarkeit.
Seelische Gesundheit im zweiten Jahrsiebt
Jetzt steht die Entwicklung der Organe des rhythmischen Organismus im Vordergrund: die Lunge und das Herz-Kreislaufsystem. Wir können die Tätigkeit dieser Organe besonders wahrnehmen, sowohl wenn wir große Freude oder aber auch wenn wir Leidvolles erleben. Dann verstärkt sich augenblicklich der Puls, das Herz schlägt uns bis zum Hals, der Atem stockt, uns bleibt die Luft weg oder wir werden ganz bleich im Gesicht. Hier erleben wir die unmittelbare Verbindung unserer Gefühlswelt mit dem rhythmischen Organismus.
Das bedeutet, dass es in diesem Alter verstärkt um emotionale und soziale Reifungsprozesse mithilfe einer geplegten Gesprächs- und Gefühlskultur geht. Denn jedes Gefühl, das im Wechselspiel mit der Umwelt und mit den Menschen zu Hause und in der Schule angeregt wird, hat unmittelbaren Einfluss auf die Reifungsprozesse dieser Organsysteme.
Wie kann ich mein Kind am besten fördern?
→ Sorge für eine gute Gesprächskultur zu Hause. Zeige Deinem Kind, wie jedes Familienmitglied sich in Gesprächen einbringen kann und wie jeder Beitrag wertgeschätzt wird – auch wenn Ihr unterschiedlicher Meinung seid. Die Gespräche sind von Wertschätzung und Respekt geprägt. Und nehmt Euch auch bewusst Zeit für Gespräche. Computer, Handy, Fernseher, Radio haben dann mal Pause.
→ Besinne Dich regelmäßig: „Wie war unser letztes Gespräch? Habe ich genug Interesse gezeigt und mir ausreichend Zeit genommen? Habe ich genug Anerkennung und Lob zum Ausdruck gebracht, oder doch gemeckert und kritisiert?“
→ Wie gehst Du mit Fehlern um? Fehler sind zum Lernen da. Schaffe einen Raum des Vertrauens, in dem sich Dein Kind ausprobieren und Erfahrungen machen darf, ohne Angst vor Fehlern haben zu müssen. So bleibt die kindliche Neugier und Freude am Ausprobieren und Lernen erhalten. Ansonsten entstehen Scham und Demütigung und Du trainierst Dein Kind zum Vortäuschen gespielter Tatsachen. Denn jeder möchte gerne gut dastehen.
→ Jetzt ist die beste Zeit für das Erlernen eines Musikinstruments und das Singen und Musizieren in der Gemeinschaft. Künstlerische Betätigung ist besonders pflegend für das Gefühlsleben.
→ Auch jetzt ist noch die klare Führung eines geliebten Erwachsenen für das gesunde Heranreifen der kindlichen Seele wichtig. Natürlich wirst Du die Wünsche und Bedürfnisse Deines Kindes mit einbeziehen. Dein Kind fühlt sich jedoch viel wohler und sicherer, wenn es sich an Deiner Richtungsgebung anlehnen kann. Dies gelingt umso leichter, wenn Ihr gemeinsam Vereinbarungen trefft und besprecht, wie diese einzuhalten sind.
→ Je älter Dein Kind ist, umso mehr wird die Technik mitsamt der Medien seinen Raum einnehmen. So verlockend die Angebote auch sind – trefft auch hier klare Vereinbarungen und sorge dafür, dass sie eingehalten werden. So verständlich es ist, dass es Zeiten gibt, in denen Du froh über eine kurze Verschnaufpause bist, wenn Dein kleiner Wirbelwind mal ruhig ist und beschäftigt wird – biete ihm nachher das Gespräch zur Aufarbeitung des Gesehenen oder Gehörten an.
In der Schule sollte in diesen Schulstufen der Einsatz elektronischer Medien als Unterrichtsmittel noch konsequent vermieden werden zugunsten kreativer und menschlich-interaktiver Lern- und Entwicklungsprozesse.
Geistige Gesundheit im dritten Jahrsiebt
Die Entwicklung von Skelett und Stoffwechselorganen wird am besten gefördert, von allem, was „aufrichtet“ und begeistert. Die Jugendzeit ist die Zeit der Ideale und der großen Ziele. Rudolf Steiner nennt diese Zeit die „Erdenreife“, d.h. die Jugendlichen erleben einen Reifungsprozess hin zu einem starken, gesunden Erwachsenen, der tatkräftig auf der Erde wirkt.
Jugendliche müssen Ihre Ideale verfolgen können, lernen, sich selber Ziele zu stecken und vor allem Hoffnung auf eine gute Welt setzen können. Geistige und seelische Erlebnisse müssen „verdaut“ werden.
Wie kann ich mein Kind am besten fördern?
→ Nimm Dir Zeit für Gespäche. Schaffe weiterhin ein Verhältnis des Vertrauens. Dein Kind hat gezeigt bekommen, dass es Fehler machen darf und dafür nicht gerügt und verurteilt wird. Nun kann es hier anknüpfen und Dich teilhaben lassen an seiner/ihrer Welt.
→ Ihr steht Euch nun wahrscheinlich in Augenhöhe gegenüber. Die Rolle der Eltern wandelt sich nun. Sei ein Freund, eine Freundin, ein Begleiter ab jetzt.
→ Rege es zum eigenständigen Denken, Beobachten, Forschen und Auswerten an! Das wird mehr denn je heutzutage gebraucht. Lehre ihm, Fragen zu stellen, nichts einfach blind zu glauben, sondern alles zu überprüfen und sich eine eigene Meinung zu bilden.
→ Dein Kind, nun Jugendliche*r, will immer mehr seine Freiheiten ausdehnen. Gib ihm/ihr diesen Raum, schenke ihm/ihr Dein Vertrauen, dass er/sie die Welt erobern darf. Biete ihm/ihr dazu auch gute Literatur über Eroberer (z.B. Christoph Kolumbus, Vasco da Gama, Alexander der Große) und Biografien von großen Menschen (z. B. Mahatma und Indira Gandhi, Benazi Bhutto, Bertha von Suttner, Nelson Mandela und viele mehr) an.
→ Haltet einen „Familienrat“ ab, besprecht gemeinsam bestimmte Vorgehensweisen, trefft gemeinsame Vereinbarungen und analysiert miteinander Erfolge und Unerwünschtes.
→ Signalisiere ihm/ihr, dass Du stets zu ihm/ihr stehst, egal welchen Weg er/sie wählt. „Ich bin neugierig, wie Du wirst.“
Resümee
Freies Spiel und Bewegung fördern das Nervensystem und die Sinnestätigkeit.
Die Pflege des Gefühllebens stimuliert die rhythmischen Organe Herz und Lunge.
Das eigenständige Denken unterstützt die gesunde Entwicklung der Stoffwechsel- und Gliedmaßen-Funktionen.
ALLES ZU SEINER ZEIT!
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